Der Mensch im Weinberg.

Jedes Jahr aufs neue bin ich immer wieder beeindruckt, was für eine unglaubliche Pflanze die Rebe ist. Sie begleitet den Menschen schon seit knapp 8000 Jahren und ist damit eine der ältesten Kulturpflanzen überhaupt. Keine andere Kulturpflanze ist so eng mit uns verbunden. Selbst der Weizenanbau hat keine längere Geschichte. Soviel zur bekannten Theorie.

Wer sich die Standorte der Rebe betrachtet, sieht immer bezaubernde Landschaften mit Flüssen, Bergen, steilen Abhängen, Wäldern oder kargen Küstenstreifen. “Wo ein Pflug kann gehen darf kein Rebstock stehen.” Diesen Spruch kenne ich noch von meinem Großvater überliefert.  So sind mit viel menschlicher Kreativität und Mut Landschaften geschaffen worden, die über viele Generationen gepflegt und gehütet wurden. Diese Kulturlandschaften sind zum Glück oft von der Agrarrevolution verschont geblieben und zeigen so noch ihr ursprüngliches Bild der Zusammenarbeit zwischen Landschaft, Mensch und Rebe.

Die Zeit, die Winzer und Winzerinnen im Weinberg verbringen und sich mit den Reben beschäftigen, unterscheidet sich z.B. zum Weizenanbau fast um das hundertfache, natürlich abhängig von der Anbauform. So viel Aufwand zu investieren scheint in der heutigen Zeit betriebswirtschaftlich nicht mehr lohnenswert. Dennoch halten wir daran fest, da wir wissen, was sich aus hunderten Stunden Arbeit, Überlegungen und Überzeugung machen lässt. Das Ergebnis ist einfach schmeckbar.

Jeder kennt das Gefühl, dass man von einem Wein berührt wird. Distanziert von dessen Analytik, Herkunft oder Rebsorte fühlt man sich einfach wohl damit. Die Umstände der Herstellung spielen eine sekundäre Rolle, da der Wein einfach genau passt. Zum aktuellen Geschmack, der Situation, den Freunden oder was auch immer. Das macht Wein aus, das macht die Beziehung zwischen der Rebe und dem Menschen aus. Kein anderes Produkt von Wald, Feld oder Weide berührt uns auf so subtiler emotionaler Ebene wie der Wein.

Hat sich also der Mensch die Rebe geformt, durch Züchtung und Vermehrung; oder hat die Rebe den Menschen beeinflusst sie an die schönsten Standorte für Landwirtschaft in der ganzen Welt zu setzen?

Diese Betrachtungen der Beziehung zwischen Mensch und Rebe sind im Moment ein zentraler Punkt in unseren Gedankengängen und wie wir unsere Weine machen möchten. Daher die biodynamische Bewirtschaftung, bei der es mit Sicherheit nicht zentral um eingegrabene Kuhhörner geht, sondern um die Rolle des Menschen in seinem Weinberg auf Augenhöhe mit den Reben.

Ein Ausflug an die Mosel

Ich war vor einiger Zeit mit ein paar Freunden an der Mittelmosel. Das Tagesprogramm war klar: Weinprobe im Kröv, Taxi nach Erden und dann wandern in den Weinbergen. Ich habe die Tour geplant und mir gedacht, wir sollen den Moselwein mit allen Sinnen erleben und nach der Wanderung auch Wein aus dem durchwanderten Erdener Treppchen trinken. Auf der “Berghütte” haben wir es dann bei herrlichem Blick ausprobiert. Drei Weine der Mosel, zwei aus dem Erdener Treppchen. Alle von unterschiedlichen Weingütern, Jahren und Qualitätsstufen blind verkostet.

Die Lage war klar erkennbar. Die Winzer unter uns haben es deutlich an der Phenolik, der geringeren Säure und der kargen Mineralik ausmachen können. Die anderen, die weniger analytisch an die Sache herangegangen sind, haben die Unterschiede auch deutlich erkannt und konnten die Weine der Lage zuordnen. Ich habe dann gefragt, wie sie das entschieden haben und die Antworten waren so schön unbefangen und ehrlich:

“Der Wein schmeckt einfach wie es hier ist. Heiß, nach Steinen und trocken.” oder auch “Der hat eine ganz andere Frucht und er schmeckt irgendwie etwas holzig wie die Eichen und Kiefern die hier stehen.”

Das zeigt mir auch immer wieder, dass jeder, egal ob Wein im beruflichen Hintergrund oder nicht, Weine beurteilen und erschmecken kann. Dabei ist es nicht ausschlaggebend alle Aromen definiert benennen zu können oder die Phenolstruktur in Verbindung mit dem Standort zu bringen. Es geht darum zu hören, was einem der Wein sagt und was er erzählt, denn ein Wein erzählt die Geschichte von seinem Jahr, seinem Boden und der Zeit, die er mit seinem Winzer verbracht hat.